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LiMa – aus der Geschichte lernen – Jeremy Eichler

ÜBER DIE COVENTRY KATHEDRALE –

„Die alte Kathedrale, einst die größte Pfarrkirche Englands, muss ihren Gemeindemitgliedern im Lauf der Jahrhunderte wie eine uneinnehmbare Festung Gottes vorgekommen sein. Jetzt konnte sie nicht einmal mehr einen Regentropfen abwehren. Diese Begegnung mit der radikalen Zerbrechlichkeit von Konstruktionen, die einst dauerhaft schienen, ist seit langem Teil der verstörenden Kraft der Ruine. „unser Blick verweilt auf den Trümmern eines Triumphbogens, einer Säulenhalle (…) eines Palastes, und wir ziehen uns in uns selbst zurück“ schrieb Denis Diderot 1767 in Reaktion auf ein Gemälde mit Ruinen. … „wir sinnieren über die Verwüstungen der Zeit, und in unserer Vorstellung verstreuen wir den Schutt der Gebäude, in denen wir leben, auf dem Boden, wir sind die einzigen Überlebenden einer gesamten Nation, die nicht mehr existiert.“

… Man kann sich ohne weiteres vorstellen, wie der Architekt Basil Spence erstmals diesen Ort besuchte und die von Diderot beschriebene Anziehungskraft der Ruine verspürte, ihre Art und Weise, die tiefe Verletztlichkeit der Gegenwart zu offenbaren, auch wenn sie oft Ansprüche an die Ewigkeit stellt. …

Die nach dem Krieg so beliebten Betonfestungen und die Bunkerarchitektur eines modernistischen Brutalismus waren, wie festgestellt wurde, zum Teil eine bewusste oder unbewusste Reaktion auf die Angst vor Bombardierung, auf die Furcht vor Tod und Zerstörung von oben.“

Zitiert aus: Jeremy Eichler; Das Echo der Zeit. Die Musik und das Leben im Zeitalter der Weltkriege; Clett Cotta, Stuttgart 2024, S.296

Fotografie: Jeremy Eichler; ebenda S. 295